In meinem Artikel „Aufmerksamkeit und Macht: Zwei Tipps zum Umgang mit der Wut deines Kindes“ habe ich dir zwei Wege für deinen Alltag aufgezeigt, um Wutanfällen deines Kindes vorzubeugen.

In diesem Artikel möchte ich dich als Mutter oder Vater ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Denn wenn du der Wut deines Kindes begegnest, dann ist das für dich eine äußerst herausfordernde Situation. Die Wut deines Kindes, besonders noch in der sogenannten Trotzphase, kann für dich ein starker Auslöser sein: In dir steigt als Reaktion auf die Wut deines Kindes deine eigene Wut plötzlich auf. Vielleicht schreist du dein Kind an, obwohl du das nie vorhattest. Vielleicht ziehst du dich vor deinem Kind zurück und lässt es allein. Vielleicht endet dein Wutanfall sogar damit, dass du dein Kind schlägst.

Dramen wie diese finden zwischen Eltern und Kindern hinter verschlossenen Türen leider viel zu häufig statt. Beide, die Eltern und die Kinder, sind in solchen Situationen verzweifelt und überfordert. Denn so hast du dir deine Zeit mit deinem Kind wohl wahrlich nicht vorgestellt.

Das eigentliche Problem liegt nicht darin, dass dein Kind wütend ist oder sich in der sogenannten Trotzphase befindet. Sondern darin, dass du deiner eigenen Wut begegnest und sie dein Handeln bestimmt.

Die Ursachen für deine Wut reichen sehr tief in deine Vergangenheit zurück. Wenn du um die Ursachen deiner Wut weißt, wird deine Wut bereits beim nächsten Wutanfall deines Kindes nicht mehr so stark auftreten. Oder sie wird dein Handeln nicht mehr blind dominieren wie bisher. Außerdem nimmt deine eigene Wut auch dann ab, wenn du besser darüber Bescheid weißt, was während seines Wutanfalls in deinem Kind passiert. Was musst du also über dich selbst und dein Kind wissen, damit du entspannter auf dein Kind reagieren kannst?

Du erkennst an der Tatsache, dass du auf die Wut deines Kindes selbst mit Wut reagierst, dass dein Handlungsspielraum recht eingeschränkt ist – und dass dir außerhalb deiner Wut nicht wirklich ein Mittel zur Verfügung steht, um deinem Kind zu begegnen. Mache dir also bewusst: Wenn du deiner Wut, die plötzlich und kraftvoll aus dir heraustritt, als einzigem Handlungsimpuls folgen kannst und das später bereust, reicht dieser Impuls tief in deine Vergangenheit zurück. Er wurde zu der Zeit in dir verankert, in der du selbst im gleichen Alter und in der gleichen Situation warst.

Du kannst hier an deinem eigenen Verhalten und deinen eigenen Gefühlen ablesen, wie deine Eltern dir begegnet sind, als du in dieser Trotzphase einen Wutanfall hattest. Wenn du jetzt Wut empfindest und dich persönlich angegriffen fühlst, dann sind dir deine Eltern genauso begegnet, als du aus aller Kraft nach Hilfe geschrien hast. Denn die Wut deines Kindes ist nichts anderes als ein Hilferuf. Genau das, was du damals gelernt hast – dass deine Eltern dir mit Wut begegnet sind –, gibst du jetzt unreflektiert an dein Kind weiter.

Sollte diese Erkenntnis Schmerz in dir auslösen, dann gib dem Schmerz Raum. Die Berührung des Schmerzes in dir führt dich zurück zu deiner Empathie dir selbst und deinem Kind gegenüber. Nimm als erste Erkenntnis auf deinen Weg mit, dass es nicht wirklich deine Wut ist, die hier aus dir herausbricht: Sie ist viel älter als du und reicht meist über viele Generationen zurück.

Du hast jetzt die Chance, ein uraltes Muster deiner Ahnen zu durchbrechen und deinen Erben einen anderen Weg zu ebnen. Um deinem Kind nicht auch wütend zu begegnen, wenn es vor Wut schreit, ist es wichtig, dass du dir dies immer wieder bewusst machst. Deine Auseinandersetzung mit diesem Thema kann dich zurück in die Beziehung zu deinem Kind führen, die durch die Wut deines Kindes plötzlich unterbrochen wurde. Versuche, dich mit deinem eigenen Leid von damals zu verbinden. Deine Verbundenheit zu deiner Vergangenheit ist wichtig, damit die Verbindung zu deinem wütenden Kind nicht mehr unterbrochen wird. Die Verbindung ist die Grundlage, deinem Kind weiterhin empathisch zu begegnen: egal, welche Herausforderungen es gerade durchsteht.

Weil du selbst solche Reaktionen der Wut von deinen Eltern erfahren hast, ist nämlich deine empathische Verbindung zu dir selbst an dieser Stelle gebrochen. Mache dir bewusst, dass genau dieser Bruch in dir selbst heilen wird, wenn du ihn nicht an dein Kind weitergibst. Es ist ein blinder Fleck in dir, in deiner Vergangenheit und in deinem energetischen System, den du sonst auch in deinem Kind verankerst. Versuche, mit deinem Gefühl auf tieferer Ebene als der Wut, die oberflächlich all deine anderen Gefühle verdeckt, verbunden zu bleiben. Auf tieferer Ebene, also auf einer Gefühlsschicht unterhalb deiner Wut, bist du vielleicht verzweifelt oder ohnmächtig, weil dein Kind so leidet. Auf tieferer Ebene bist du vielleicht traurig, dass du auf solche Momente nicht vorbereitet warst und keine Lösung finden konntest.

Erlaube, dass du so fühlen darfst, und schaue aus dieser neu gewonnenen Perspektive auf dein Kind. Etwas in dir wird dann mit diesem Bewusstsein wach dafür sein, dass dein Kind nicht wirklich dich meint, wenn es dich anschreit. Es macht dies nicht, weil es ihm Spaß macht oder weil es dich bestimmen oder dominieren will. Nein, es ist selbst verzweifelt, in tiefer innerer Not und von seiner inneren Enttäuschung überflutet. Es fehlt ihm an Mitteln und Möglichkeiten, diesen Zustand allein zu regulieren. Dafür braucht dein Kind dich.

Dass dein Kind dich braucht, ist ein zweiter wichtiger Punkt, um eine gute und einfühlsame Beziehung zu ihm aufzubauen. Auf diesen Aspekt gehe ich in meinem Beitrag „Von Enttäuschung überflutet – Teil 2“ ein.

Deine Diana Hellers

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Von Enttäuschung überflutet – Teil 1, Diana Hellers